Freitag, 27. September 2013

Die spinnen, die Bolivianer!

'Andere Länder, andere Sitten!' ...oder wie sagt man so schön? Dass hier einiges anders sein würde als Zuhause, habe ich natürlich erwartet, aber von dem ein oder anderen war ich dann doch sehr überrascht. Von zweien der Dinge, die einen Bolivianer zu einem echten Bolivianer machen, habe ich schon berichtet. Tanzen und der Straßenverkehr. Dazu muss ich vermutlich auch nicht mehr viel sagen... Es ist einfach verrückt!
Nach nicht allzu langer Zeit in diesem Land fällt einem auf, dass die Toleranz gegenüber Lautstärke hier sehr viel höher ist, als bei uns. Immer und überall klingelt ein Handy und zwar in voller Lautstärke und das Telefonat wird dann laut lachend angenommen. Manchmal könnte man meinen, die Telefonierenden versuchten über die Distanz zu ihrem Gesprächspartner hinweg zu schreien. Auch ein lärmender GameBoy [oder wie man die Dinger heutzutage nennt], oder laut spielende Musik, sind in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht selten anzutreffen. Was die Handys angeht, so gibt es noch etwas anderes sehr merkwürdiges. Selbstverständlich wird in Deutschland, in der Schule, unter den Tischen gerne mal die ein oder andere SMS verschickt. Hier versteckt man das Handy nicht unterm Tisch. Es werden SMS geschrieben, Fotos gemacht oder auch telefoniert. Im Unterricht. Aber die Lehrer scheint es nicht zu stören. Die Lehrer werden hier übrigens nicht wie bei uns mit Nachnamen angesprochen, sondern mit 'Profe' [Shortform von 'Profesor/a']. Auch der Direktor, die Kassierer und noch der ein oder andere wird mit der Berufsbezeichnung angesprochen. Mich erinnert das jedes Mal an meine Grundschulzeit, in der wir immer 'Herr Busfahrer' sagten. Abgesehen davon sagen die Leute hier sehr gerne Namen. Oftmals wird man morgens in der Schule mit Namen begrüßt oder er wird in den Raum geworfen, damit keine peinliche Stille entsteht. Das ist etwas sehr merkwürdiges für mich.
Was in der Schule auch recht schnell auffällt, ist, dass man grundsätzlich in Kontakt ist. Also Körperkontakt. Auch recht merkwürdig, wenn man sich ganz harmlos unterhält und auf einmal hat man eine Hand am Knie. Aber das ist hier ganz normal! Man gewöhnt sich auf jeden Fall daran. Was weitaus gewöhnungsbedürftiger ist: Es kann durchaus passieren, dass sich ein Gesprächspartner mitten im Gespräch wegdreht, um mit jemand anderem zu reden. Das darf man nicht zu persönlich nehmen. Im nächsten Moment lachen wieder alle darüber. Was das lachen angeht, so hat La Paz da seine ganz eigene Art. An einen Satz [ziemlich egal, wie unlustig er im Endeffekt war] wird des öfteren ein 'Yaaaaaaaaaaaaaa' angehängt. Wieso, wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Für Bolivianer ist es auch ganz normal auf Facebook seinen eigenen Status oder auch sein Profilbild zu liken. Auch interessant: Man findet hier kein DinA4. Das ist grundsätzlich nicht allzu überraschend, jedoch gibt es DinA5. Daneben findet man hier auch beinahe quadratische Blätter und welche mit ganz komischem Format.
Ich glaube in meinem ersten Post die Hoffnung erwähnt zu haben, dass Bolivien über eine ähnliche Zeichensprache verfüge, wie Deutschland. ...es wäre ja zu einfach gewesen. Wenn mir hier jemand bedeutet ihm zu folgen, sieht es viel mehr so aus, als wolle er, dass ich weg gehe. Mein Hirn braucht auch nach zwei Monaten noch immer ein paar Sekunden, um zu entscheiden, ob ich mitgehen oder verschwinden soll. Achselzucken, was ich andauernd mache, ohne groß drüber nachzudenken, ist nicht gut. Statt 'keine Ahnung', 'ich weiß nicht' bedeutet es hier so viel wie 'was interessiert's mich?', 'ist mir egal!'. Nicht unbedingt vorteilhaft, wenn man Beziehungen knüpfen will.
Natürlich wäre es langweilig, wenn beim Essen alles so zugehen würde, wie Zuhause. Zunächst wartet man hier nicht, bis alle ihr Essen haben, man fängt einfach an. 'Guten Apetit' wünscht man auch erst im Anschluss, wenn man nach dem Essen vom Tisch aufsteht. Joghurt löffelt man hier nicht, man trinkt ihn. Und zu guter letzt: Wenn man ein Brötchen hat [das typische La Paz Brötchen ist eine Mischung aus Ciabatta und dem typischen deutschen Brötchen], so halbiert man es vertikal und höhlt es aus. Anschließend füllt man es mit dem 'Belag'.

Ein nüchterner Blick auf das Gesamtbild klärt: Die spinnen, die Bolivianer!

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