Sonntag, 28. Juli 2013

Vorurteile widerlegen

Auch wenn man es sich noch so sehr vornimmt, man wird es nie schaffen, ganz ohne Vorurteile in ein fremdes Land zu reisen. Ist man ersteinmal da, ist man fasziniert und amüsiert, welche wirklich zutreffen und welche nicht. In den letzten zwei Tagen sind mir viele Dinge aufgefallen, die nicht meiner Vorstellung oder meinem Urteil entsprochen haben.


  1. Alle Frauen tragen Röcke und Hüte.
    Völliger Quatsch! Wenn man 'Bolivian people' googlet findet man zwar nichts anderes, aber wenn man nach deutschen sucht, tragen viele der Personen, die man findet auch Lederhosen und trinken Bier. Die Mode hier ist eigentlich recht international. Man trägt Jeans und Jacken, die verdächtig nach H&M aussehen. Die Frauen mit Rock und Hut gibt es aber auch. Sogar recht viele. Sie heißen Cholitas.
  2. Es gibt keinen Tag in La Paz an dem man nicht friert.
    Je nach dem wie man's nimmt... die letzten beiden Tage waren wirklich schön warm und ich war froh, dass ich das Wetter hier so freundlich eingeschätzt habe, dass ich nicht nur langärmlige Sachen eingepackt hab. Am Tag gefroren habe ich also eigentlich nicht. Sobald die Sonne allerdings hinter der Bergkuppe verschwunden war, wurde es wieder recht frisch. Wenn man an einem sonnigen Tag längere Zeit im Haus verbringt ist es auch relativ kühl. Demnach ist jedem, der vorhat einmal nach La Paz zu kommen, zu raten hauptsächlich warme Klamotten mitzunehmen. Das Zwiebelprinzip [ich weiß gar nicht warum das nicht 'Ogerprinzip' heißt, die haben doch schließlich auch viele Schichten] ist in dieser Stadt sehr sehr zu empfehlen.
  3. Zu braun passen keine Neontöne.
    Gestern wurde ich Zeuge diverser Nationaltänze, die in verschiedenen Kostümen in einer Art Umzug vorgeführt wurden. Besagte Kostüme waren sehr Farbenfroh, wie der Rest der traditionellen bolivianischen Mode auch und selbst die skurrile Farbmischung von braun, neongelb, neongrün, neonorange und gold, fehlte nicht zwischen den vielen anderen Farbvarianten. Was himmelschreiend klingt und was ich nie für möglich gehalten hätte, ist, wenn man nur genügend andere Farben dazu kombiniert, eigentlich sogar recht schön. Befremdlich natürlich, aber es passt perfekt zu Bolivien und ist somit von nun an für mich okay.
  4. Alle Latinos können tanzen.
    Oben genannte Tänze wurden [wenn ich das so richtig verstanden hab] von den Studenten der lokalen Universitäten aufgeführt. Mir fielen spontan mehrere Dinge auf. 1. Während es in Deutschland nicht immer einfach ist eine einheitliche Frisur für eine Tanzgruppe zu finden, ist es das in Bolivien sehr wohl. Es flechten einfach alle, ihre schwarzen, rückenlangen Haare zu zwei Zöpfen. 2. Manche Leute, die ich aus meinem Alltag Zuhause kenne hätten perfekt in die Tanzgruppen oder in die mitlaufenden Orchester gepasst. 3. Einige der Tänzer waren echt schlecht. Um Gottes Willen, ich könnte es im Leben nicht besser, aber ich hatte immer die Vorstellung alle Latinos wären des Tanzens mächtig.
  5. In Bolivien gibt es keine Internationalen Marken.
    Mööp! Gott sei dank ist dem nicht so. Ich habe mit meinem Bruder dieses LogoQuiz gespielt und der kannte Marken, da is mir fast der Kitt aus der Brille gefallen. Gute deutsche Markenprodukte [auch wenn keiner hier weiß, dass sie deutsch sind] finden sich in jedem gut sortierten Supermarkt und auch in jeder Küche. Wenn man durch die Stadt geht findet man internationale Kosmetikprodukte oder auch Spielwaren. Das einzige was ich bisher vergeblich gesucht habe ist europäischer Süßkram...
  6. Es schmeckt wie Hühnchen, ist aber keins.
    Nein. Es ist Hühnchen. Es ist immer Hühnchen. Pollo, pollo, pollo. Jedenfalls ist das in meiner Familie so. Gott, wie sehr ich mir ein schönes Steak wünsche oder ne richtig schön saftige Bulette!

Natürlich bin ich mir darüber im klaren, dass nicht alle, die selben Vorstellungen von Bolivien gehabt haben, wie ich. Und dass manche Dinge vielleicht auch schon vorher offensichtlich waren. Aber ich empfand jeden Punkt als erwähnenswert und für den ein oder anderen mag es eventuell auch ganz interessant sein, zu wissen, wie es eben nicht ist.

2 Kommentare:

  1. Liebe Quaksalber (oder sagt man in völliger Ignoranz des Geschlechts doch besser lieber Quaksalber),

    heute war ein Tag im Juli in Deutschland, an dem man nicht geschwitzt hat (keine Sorge, es geht am Donnerstag wieder los), die Neonfarben sind nicht auf braun, sondern auf die schwarzen Haare abgestimmt (und da passen sie natürlich super) und das mit dem Tanzen ist natürlich Geschmacksache (es gibt auch Leute, die finden, dass Helge Schneider singen kann). Also befreien wir uns von unseren Vorurteilen und bewundern einfach die Wirklichkeit (manchmal auch mit offenem Mund).

    Ich hoffe, die Stimmungskurve geht durch den Besuch einer bolivianischen Schule langsam aber konstant bergauf (was soll man vom Gewöhnungstier Mensch nach endlos langen Schuljahren auch anders erwarten, oder ist das auch ein Vorurteil?) und du schreibst in ca. 2 Monaten den Blog auf spanisch (wäre traurig, weil ich würde kein Wort verstehen).

    Alles Beste,
    Patonkel

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    1. Soo, lieber Patonkel,
      nennen wir doch einfach das Grauen beim Namen → Cosi[ma]!

      Bezüglich der Neonfarben bin ich mir sicher, dass wenn eben besagte Farben plus braun und gold in ein und em selben Stoff verarbeitet sind, es recht wenig mit der Haarfarbe zu tun hat. Und den Prozess, dass ich mich von Vorurteilen befreie, wollte ich eigentlich mit diesem Post dokumentieren.

      Auf spanisch schreiben, werde ich auf keinen Fall [jedenfalls nicht ausschließlich], immerhin dient das ganze hier zur Information meiner zurückgebliebenen Verwantdschaft und Freunde und all jener, die entweder später selbst nach Bolivien gehen wollen, oder die mit viel Langeweile das Internet durchforsten.

      Vielen Dank,
      Cosi :)

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