Freitag, 21. Februar 2014

Skelette, Staub und Blut

Ach, wie schnell werden die Kinder groß. Quasi gestern noch am Daumen nuckelnd [oder war das heute Morgen??], bin ich heute Studentin. Ja, richtig gelesen, Studentin! Um genau zu sein, bin ich seit letztem Montag Kunststudentin an der bolivianischen Universität UMSA.
Eigentlich hatte ich bereits Montag oder zumindest Dienstag vor, diese tolle Botschaft zu übermitteln, doch Dank haufenweiser Hausaufgaben und einem gewissen Drang zu schlafen, habe ich es kaum geschafft überhaupt an den Computer zu kommen. 
Nach einem gefühlten halben Jahrhundert Ferien konnte ich es eigentlich kaum erwarten endlich Bescheid zu kriegen wann und vorallem was ich in meinen letzten 4 Monaten hier in Bolivien studieren würde. Ich hatte mich für Kunst und Anthropologie 'beworben', doch es stand ganz außer Frage, dass ich lieber Kunst studieren würde. Vorletzten Donnerstag kam dann die glorreiche Nachricht, dass ich es in die Kunstfakultät der UMSA geschafft habe. Die Freude war groß, bis ich am nächsten Tag dort ankam, um meinen Stundenplan mit der Direktion zu besprechen. Von da an war dann plötzlich alles gruselig. Da der erste Jahrgang generell überfüllt ist, wurde ich in den zweiten gesteckt, mit der Begründung, ich hätte ja mit Sicherheit schon einiges an Erfahrung. Selbstverändlich kannte ich niemanden, alle hatten bereits ein Jahr studiert und ich fühlte mich als hätte ich absolut keine Ahnung, von dem was da vor sich geht. 

Einmal angefangen, war es dann allerdings doch nicht so schlimm. 
Ich belege nicht alle Fächer und somit beginnt mein Montag erst um 4 Uhr nachmittags mit Anatomie. Bis man den Raum gefunden und seinem Dozenten erklärt hat, warum genau man es wagt blond und unerfahren in der zweiten Woche des zweiten Jahrgangs des Anatomiekurses aufzutauchen, ist man eigentlich schon mit den Nerven am Ende. Der Kurs ist allerdings lange noch nicht fertig mit einem. Es ist und bleibt ein Segen und ein Fluch, hier blond zu sein. Ein Segen, weil es in solchen Situationen nicht schwer ist, in ein Gespräch verwickelt zu werden und schnell neue Leute kennenlernt. Ein Fluch, weil eben diese Leute anfangs immer die gleichen Fragen stellen, und es unmöglich ist, sein Skelett auch nur ansatzweise fertig zu zeichnen. Und so häufen sich die Hausaufgaben. 
Dienstag waren die Fächer Skulptur und Malerei an der Reihe. Innerhalb der 4 Monate, die ich hier bin, muss ich eine Skulptur in Form eines Menschen in beliebiger Pose erstellen. In Malerei erlernen wir derzeit den Umgang mit Ölfarben und verschiedene Techniken.
Mittwoch und Donnerstag habe ich Zeichnung. Die Dozentin ist der Meinung, dass ich besser in den ersten Jahrgang gehöre, was niemand gerne zu hören bekommt. Natürlich sind einige Leute im Kurs, die besser sind, als ich. Was will man erwarten, wenn sie bereits ein Jahr lang eine ganz bestimmte Technik erlernt haben und darin geschult sind. Aber ich bin auch bei weitem nicht die schlechteste. 
Der Freitag unterscheidet sich nur geringschätzig vom Dienstag. Es sind die gleichen Fächer aber ich habe 1.5 Stunden weniger Pause dazwischen. In Skulptur haben wir heute sehr hart gearbeitet. Neben dem Verbiegen von Eisenstangen, Sägen, Drahtknipsen, Hämmern und Hobeln, haben wir heute Baumstämme geschleppt. Holz wird immer gebraucht; in welcher Form auch immer. Heute haben wir es über das Fakultätgelände bis in unsere Klasse getragen und ich spüre die Rinde immernoch auf meiner Haut. Abgesehen davon ist es so ziemlich das dreckigste und gefährlichste Fach, das ich bisher hatte. Trotz Overall war ich am Ende des Tages voller Staub und habe nun einige Wunden an den Händen. Aber ich möchte mich nicht beklagen, immerhin werde ich durch dieses Fach einiges an Muskeln bekommen.
Im Fach Malerei scheine ich eine der besten zu sein. Während alle anderen ihre Augen, Nasen oder Münder mehrfach üben mussten [wir haben das Thema Portraits], wurde ich gebeten bereits zum vollen Gesicht überzugehen und bin nun die einzige, die ein fast fertiges Gesicht vorzuweisen hat.
Soweit, nachdem ich den ersten Schock überstanden habe, bin ich sehr zufrieden in meiner neuen Uni. Wir haben einen schönen 'Park', in dem es viele Pflanzen und Skulpturen gibt und auch eine Art Mensa. Zwei Mädels aus Belgien, die auch mit AFS hier sind, studieren ebenfalls Kunst, haben aber nicht exakt den gleichen Stundenplan, wie ich. Ich habe nur praktische Fächer, weil ich somit erstens, keine Klausuren schreiben muss [was auf spanisch nicht unbedingt das einfachste ist] und zweitens, denke ich, das mir die praktische Erfahrung und die Übung auf meinem späteren Lebensweg mehr weiterhelfen werden, als zu wissen, wie und wann genau das alles mit der Gothik war oder was die Künstler zum Impressionismus bewegte.

Im Moment schwirrt es in meinem Kopf noch von neuen Eindrücken, daher melde ich mich [das nächste mal hoffentlich wieder mit Fotos], sobald es etwas neues oder spannendes gibt.
Ich fürchte allerdings, dass ich den derzeitigen Schreibrythmus mehr oder weniger beibehalten muss, denn ich bin sicher, es wird noch mehr Arbeit auf mich zukommen und somit weniger Zeit zum schreiben bleiben.

2 Kommentare:

  1. Hallo Cosima,

    gut zu hören, dass die Kunst dich wieder hat. Ich habe überlegt, was wohl UMSA heißt. Kann nichts Nationales sein, es fehlt das B. Was Städtisches wohl auch nicht, es fehlt sowohl das L als auch das P. Ich bin zu dem Schluss gekommen, es heißt: Universität Mit Sehnsüchtigen Anfängern. Oder so.

    Alles Liebe
    Patonkel

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    1. Für mich war der einzig einleuchtende Name Univärsität Mancher, Schöner Austauschschüler! Allerdings habe ich auch das lächerliche Gerücht vernommen, die Abkürzung stünde für Universidad Mayor de San Andrés. Aber das scheint mir doch sehr weit hergeholt.

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